1. |
Prämientreuhänder und Bedingungstreuhänder
|
|
1.1 |
Einleitung Die Institution des unabhängigen Treuhänders ist eine Folge der Umsetzung von europäischem Recht in deutsches Recht und somit eine Folge der Deregulierung, was in diesem Zusammenhang nichts anderes bedeutet, als das Verbot staatlicher Regulierung. Mit der 3. Schadenversicherungs-Richtlinie erstreckt sich dieses Verbot auch auf die Genehmigung von Prämien und Prämienänderungen, sowie von Bedingungsänderungen. Während etwa die Gestaltung des Preises für die Ware „Krankenversicherung“ für potentielle Versicherungsnehmer in die Verantwortung des Verantwortlichen Aktuars bei den Versicherungsunternehmen gelegt wurde - und deshalb heißt er so - , musste für die Versicherten, d.h. für diejenigen, die sich für die PKV entschieden haben und evtl. nur für sie entscheiden konnten, der starken sozialen Komponente der substitutiven Krankenversicherung Rechnung getragen werden. Diese ersetzt, diese substituiert den Schutz, der sonst durch das Sozialversicherungssystem der Gesetzlichen Krankenversicherung geleistet wird. Im Gegensatz zu anderen Schadenversicherungen sollte deshalb die Änderung der Prämien, sowie die Änderung von Versicherungsbedingungen nicht frei der Entwicklung und dem Einfluss der Marktkräfte überlassen werden. Auch die Änderung der Prämien beinhaltet eine Änderung der Versicherungsverträge, eine Änderung, über die allerdings der Versicherte durch § 8b der Allgemeinen Versicherungsbedingungen (AVB) seit Vertragsbeginn - zumindest theoretisch - informiert ist. Krankenversicherungsverträge werden i.d.R. auf unbestimmte Zeit abgeschlossen und währen meist lebenslang. Um der sozialen Schutzfunktion gerecht zu werden, haben die privaten Krankenversicherer bereits vor Jahrzehnten auf ihr ordentliches Kündigungsrecht verzichtet. Seit 1994 ist dieses Kündigungsrecht für die substitutive Krankenversicherung sogar gesetzlich ausgeschlossen. Auch für die nicht substitutive Krankenversicherung sind die Kündigungsrechte des Versicherers stark eingeschränkt (s. § 206 VVG).
zur Übersicht Δ
|
|
1.2 |
Der Prämientreuhänder Mit vertraglich vereinbarten Beitragsanpassungsklauseln (z.B. § 8b MB/KK) und in den §§ 203 Abs. 2 des Versicherungsvertragsgesetzes (VVG) und 12b des Versicherungsaufsichtsgesetzes (VAG) wird dem vorhandenen Änderungsrisiko der Krankenversicherung aufgrund der anhaltenden Kostensteigerung, der sich erhöhenden Inanspruchnahmen im Tagegeldbereich oder der steigenden Lebenserwartung Rechnung getragen: Um aufgrund der genannten Aspekte nicht zahlungsunfähig zu werden, müssen die Rechnungsgrundlagen bei geänderten Verhältnissen im Gesundheitswesen angepasst werden, da die Kündigungsrechte des Versicherers in der Krankenversicherung, wie bereits erwähnt, ausgeschlossen bzw. stark eingeschränkt sind. Während die Neuzugangsprämien als Verkaufspreis den Deregulierungsintentionen folgend „frei“ sind, wurde die „ ... Wirksamkeit von Prämienerhöhungen, die bei einer nicht nur vorübergehenden Veränderung der Verhältnisse zulässig sind, an die Prüfung und Zustimmung unabhängiger Treuhänder geknüpft. Dies ist erforderlich, weil das allgemeine Kündigungsrecht bei Prämienerhöhungen nach § 31 VVG in der Fassung des Entwurfs dem Versicherungsnehmer wegen der faktischen Beschränkung seiner Kündigungsmöglichkeit in der Krankenversicherung keinen ausreichenden Schutz gegen unangemessene Prämienerhöhung bietet“ (Auszug aus der Begründung zum Gesetzentwurf des VVG der Bundesregierung, Drucksache 12/6959 vom 4. März 1994). Entsprechend ist in der Begründung zum § 12b VAG zu lesen: „Eine Prämiengenehmigung durch die Aufsichtsbehörde ist nicht mehr zulässig. Andererseits kann es aber dem Versicherer nicht überlassen werden, Prämienänderungen einseitig selbst festzulegen. Zwar ist eine nachträgliche Prämienkontrolle durch die Aufsichtsbehörde möglich, jedoch lassen sich unzureichende oder überhöhte Prämien nachträglich nicht wirksam korrigieren. Auf eine vorherige Überprüfung von Prämienänderungen durch einen unabhängigen Dritten kann daher nicht verzichtet werden“. Und etwas später: „Es ist deshalb unbedenklich, wenn Prämienänderungen von einem unabhängigen Treuhänder überprüft werden und erst nach seiner Zustimmung in Kraft gesetzt werden dürfen.“ Die Notwendigkeit der „Entwicklung eines neuen Instrumentariums“, um die „zur Gewährleistung der dauernden Erfüllbarkeit der Versicherungsleistungen“ unter Umständen erforderlichen Prämienerhöhungen auch rechtlich abzusichern, führte zur Person des unabhängigen Treuhänders, dessen Aufgaben und Pflichten in § 12b VAG definiert werden. Vielfach spricht man vom mathematischen Treuhänder oder Treuhänder nach § 12b VAG oder – neuerdings – vom Prämientreuhänder oder Aktuartreuhänder.
zur Übersicht Δ
|
|
1.3 |
Der Bedingungstreuhänder In gleicher Weise muss aber auch die Möglichkeit bestehen, Änderungen von Bedingungen vorzunehmen, wenn diese sich als notwendig erweisen. Wie der Prämientreuhänder Prämien- bzw. Beitragsanpassungen kritisch begleitet, so erfüllt der Bedingungstreuhänder eine entsprechende Aufgabe, wenn es um eine Änderung von Allgemeinen Versicherungs- und/oder Tarifbedingungen im laufenden Versicherungsverhältnis geht, die wegen einer Veränderung der Verhältnisse des Gesundheitswesens erforderlich wird. Seine nach eingehender Prüfung gegebenenfalls erteilte Zustimmung ersetzt die im Massengeschäft der Versicherungen nicht praktikable Mitwirkung der Versicherten. Rechtsgrundlage für das entsprechende Verfahren ist die Vorschrift des § 203 Abs. 3 VVG. Sie ermöglicht dem Krankenversicherer im Bereich der langfristig angelegten, nach Art der Lebensversicherung kalkulierten (z.B. der substitutiven) Krankenversicherung, in der das ordentliche Kündigungsrecht des Versicherers ausgeschlossen ist, die Änderung der Bedingungen und damit eine Anpassung des laufenden Versicherungsvertrages an veränderte Umstände. Der in diesem Zusammenhang mitwirkende Treuhänder ist typischerweise Jurist, muss aber gemäß § 12b Abs. 5 VAG jedenfalls über ausreichende Rechtskenntnisse auf dem Gebiet der Krankenversicherung, tunlichst auch des Gesundheitswesens und der Allgemeinen Geschäfts- bzw. Versicherungsbedingungen verfügen.
zur Übersicht Δ
|
2. |
Die Unabhängigkeit des Treuhänders Der § 203 VVG stellt die dort vorgesehenen Wirkungen der Zustimmung unter die Voraussetzung der Unabhängigkeit des Treuhänders. Gemäß § 12b Abs. 3 VAG liegt die erforderliche Unabhängigkeit insbesondere dann nicht vor, wenn der Treuhänder (z.B. als Aufsichtsrat, Vermittler o.ä.) in einem Vertragsverhältnis mit dem Versicherungsunternehmen steht, für das er tätig ist, oder wenn er aufgrund einer früheren Tätigkeit Versorgungsansprüche gegen dieses Unternehmen hat. Nach Auffassung der Treuhändervereinigung kann auch ein Rechtsanwalt, der für einen Krankenversicherer laufend Mandate wahrnimmt, für diesen nicht als unabhängiger Treuhänder tätig sein. Soweit die Treuhändervereinigung Leitlinien, Empfehlungen etc. abgibt, sind diese gleichwohl unverbindlich. Es ist hervorzuheben, dass wegen der Wichtigkeit der vom Gesetz verlangten Unabhängigkeit schon jeglicher Anschein einer Abhängigkeit vermieden werden muss, der das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Arbeit der Treuhänder erschüttern könnte. Auf die Unabhängigkeit hinzuwirken, ist das besondere Anliegen der Treuhändervereinigung, die deswegen auch nur für unabhängig erkannte Treuhänder als Mitglieder aufnimmt.
zur Übersicht Δ
|
3. |
Die Bestellung des Treuhänders Die Bestellung des Treuhänders erfolgt - nach Prüfung der persönlichen Voraussetzungen durch die BAFin - durch den Versicherer: Die Aufsichtsbehörde wird der Bestellung widersprechen, wenn die zum Treuhänder vorgeschlagene Person nicht integer, wenn sie fachlich ungeeignet oder nicht unabhängig ist. Im letzteren Fall verlangt die Behörde die Benennung einer anderen Person oder kann notfalls einen Treuhänder auch selbst bestellen. Der durch das Unternehmen bestellte Treuhänder hat bei Prämienanpassungen oder Bedingungsänderungen die Interessen der Versichertengemeinschaft zu wahren. Die Vergütung der Treuhändertätigkeit erfolgt dementsprechend durch die Versichertengemeinschaft, indem das Unternehmen die entsprechenden Aufwendungen in die Verwaltungskosten, die vom Versicherten mit der Prämie entrichtet werden, einrechnet. Das Entgelt des Treuhänders soll seiner Leistung und seinem Zeitaufwand angemessen sein; insbesondere muss es von der Höhe einer Prämienanpassung unabhängig bleiben.
zur Übersicht Δ
|
4. |
Aufgaben
|
|
4.1 |
Die Aufgaben des Prämientreuhänders Die Aufgaben des Prämientreuhänders werden in § 12b VAG geregelt: In der nach Art der Lebensversicherung betriebenen Krankenversicherung dürfen Prämienänderungen erst in Kraft gesetzt werden, nachdem ein unabhängiger Treuhänder die erforderlichen Berechnungsgrundlagen überprüft und der Änderung zugestimmt hat. Vorgeschaltet jedoch ist diesem Vorgang die Prüfung der in § 203 Abs. 2 VVG angesprochenen Änderung des Schadenbedarfs und der Lebenserwartung bzw. der in § 12b Abs. 2 und 2a VAG sowie ggf. in den vertraglichen Anpassungsklauseln (z.B. § 8b MB/KK) definierten Indikatoren, der auslösenden Faktoren als Maß für den Vergleich von erforderlichen und rechnungsmäßigen Versicherungsleistungen bzw. Sterbewahrscheinlichkeiten. Erst eine durch diesen Vergleich aufgezeigte Äquivalenzstörung kann nach herrschender Rechtsauffassung die Voraussetzungen für eine Prämienänderung durch Anpassung ergeben. Nach § 8b der Allgemeinen Versicherungsbedingungen (MB/KK) hat der Versicherer je Tarif zumindest jährlich die erforderlichen Leistungen mit den bei der Berechnung der Prämien verwendeten sog. rechnungsmäßigen bzw. kalkulierten Leistungen zu vergleichen. Der Zwang zu diesem Vergleich ist seit 29.7.1994 auch im Gesetz verankert und zwar in § 12b VAG und in § 203 Abs. 2 VVG. So lautet z.B. § 12b Abs. 2 VAG:
„Das Versicherungsunternehmen hat für jeden nach Art der Lebensversicherung kalkulierten Tarif zumindest jährlich die erforderlichen mit den kalkulierten Versicherungsleistungen zu vergleichen. Ergibt die der Aufsichtsbehörde und dem Treuhänder vorzulegende Gegenüberstellung für einen Tarif eine Abweichung von mehr als 10 vom Hundert, sofern nicht in den allgemeinen Versicherungsbedingungen ein geringerer Vomhundertsatz vorgesehen ist, hat das Unternehmen alle Prämien dieses Tarifs zu überprüfen und, wenn die Abweichung als nicht vorübergehend anzusehen ist, mit Zustimmung des Treuhänders anzupassen. Dabei darf auch ein betragsmäßig festgelegter Selbstbehalt angepasst und ein vereinbarter Prämienzuschlag entsprechend geändert werden, sofern der Vertrag dies vorsieht.“
Zudem ist seit dem Jahr 2008 gleichfalls ein Vergleich der erforderlichen mit den rechnungsmäßigen Sterbewahrscheinlichkeiten durchzuführen. In § 12b Abs. 2a VAG ist festgelegt:
„Das Versicherungsunternehmen hat für jeden nach Art der Lebensversicherung kalkulierten Tarif jährlich die erforderlichen mit den kalkulierten Sterbewahrscheinlichkeiten durch Betrachtung von Barwerten zu vergleichen. Ergibt die der Aufsichtsbehörde und dem Treuhänder vorzulegende Gegenüberstellung für einen Tarif eine Abweichung von mehr als 5 vom Hundert, hat das Unternehmen alle Prämien dieses Tarifs zu überprüfen und mit Zustimmung des Treuhänders anzupassen.“
Sofern sich die Äquivalenzstörung bei den Versicherungsleistungen als nicht vorübergehend erweist bzw. eine Äquivalenzstörung bei der Sterblichkeit vorliegt (diese wird bereits per Gesetz als nicht vorübergehend angesehen), müssen die Beiträge den geänderten Verhältnissen angepasst werden; das Unternehmen hat hier keine Wahl. Die Berechnung der Prämien hat dann nach versicherungsmathematischen Grundsätzen zu erfolgen auf der Grundlage aktueller, stimmiger und aussagefähiger Statistiken unter Berücksichtigung des im Tarif festgestellten Schadenverlaufs und unter evtl. Korrektur der sonstigen in die Berechnungen eingehenden Rechnungsgrundlagen. Dem Treuhänder sind sämtliche für die Prüfung der Prämienänderungen erforderlichen technischen Berechnungsgrundlagen einschließlich der hierfür benötigten kalkulatorischen Herleitungen und statistischen Nachweise vorzulegen. In den technischen Berechnungsgrundlagen sind die Grundsätze für die Berechnung der Prämien und Alterungsrückstellung einschließlich der verwendeten Rechnungsgrundlagen und mathematischen Formeln vollständig darzustellen; von diesen darf bei der Berechnung der individuellen Prämien nicht abgewichen werden. Die Zustimmung des unabhängigen Treuhänders ist nun rechtliche Voraussetzung für die vom Versicherer beabsichtigte Änderung und ersetzt mit Wirkung für alle betroffenen Versicherungsnehmer deren nach Vertragsrecht notwendige Zustimmung. Der Treuhänder ist somit nicht Vertreter eines einzelnen Versicherten, sondern Vertreter der Gesamtheit der Versicherten des Tarifs und er hat seine Prüfung im Interesse der Versicherten vorzunehmen. Er hat deshalb die Prämienänderung nicht nur darauf zu überprüfen, ob alle vom Gesetz vorgesehenen Vorschriften eingehalten wurden, sondern dass sie in der berechneten Höhe dem veränderten Schadenbedarf unter Einbeziehung der geänderten Lebenserwartung entspricht. Bei dieser Überprüfung hat er darauf zu achten, dass die Prämien in der vorgesehenen Höhe erforderlich sind, um die künftige dauernde Erfüllbarkeit der Versicherungsleistungen an die Versichertengemeinschaft – bei unverändertem künftigem Schadenbedarf – zu gewährleisten. Der mathematische Treuhänder in der Krankenversicherung hat also zu überprüfen, ob die Beiträge auf der Basis der Schadenauswertungen mehrerer Rechnungsjahre unter Verwendung stimmiger Berechnungsgrundlagen (Ausscheidewahrscheinlichkeiten, Kostenzuschläge, u.a.) und des Formelwerks der anerkannten Regeln der Versicherungsmathematik für den in Frage kommenden Bestand korrekt berechnet wurden, unabhängig von der Entwicklung der Beiträge der Einzelperson. Nur wenn der Treuhänder auf Grund seiner Prüfung zu dem begründeten – und nachvollziehbaren – Schluss kommt, dass die Berechnungen unangemessen sind, d.h. nicht der Schadenentwicklung entsprechen, seien sie zu hoch oder auch zu niedrig, oder andere Berechnungsgrundlagen nicht akzeptabel sind, hat er seine Zustimmung zu verweigern. Dies entspricht dem Sinn des Gesetzes. Bei relativ hohen Beitragssteigerungen wird der Versicherer i.d.R. die Beitragserhöhungen nach oben begrenzen bzw. limitieren, um die Steigerung zumutbar zu halten. Für die Finanzierung dieser dauerhaften Beitragsnachlässe sind beträchtliche Geldmittel erforderlich, die den Versicherten zum Zeitpunkt der Beitragsanpassung kalkulatorisch zuzuschreiben sind. Größtenteils kommen diese Finanzierungsmittel aus der Rückstellung für Beitragsrückerstattung, in der die für die Versicherten zu verwendenden Unternehmensüberschüsse angesammelt werden. Dem Unternehmen obliegt die Pflicht, diese Überschussmittel im Rahmen der gesetzlichen und vertraglichen Bestimmungen für die Versicherten zu verwenden. Ab 01.01.2000 hat der Gesetzgeber dem Treuhänder die zusätzliche Aufgabe zugewiesen, die Verwendung dieser Überschussmittel gemäß § 12b Abs. 1a VAG zu überprüfen, zumal durch die Verwendungsart „Beitragslimitierung“ ein enger Sachzusammenhang mit der vom Treuhänder zu prüfenden Beitragsanpassung besteht. Seit 01.01.2000 hat der Prämientreuhänder insbesondere die Zumutbarkeit von Beitragssteigerungen für die Gemeinschaft der „älteren Versicherten“ zu prüfen. Gemäß § 12b Abs. 1a VAG obliegt es dem Prämientreuhänder, „dem Gesichtspunkt der Zumutbarkeit der prozentualen und absoluten Prämiensteigerungen für die älteren Versicherten ausreichend Rechnung zu tragen“. Dabei ist der Begriff „älterer Versicherter“ an verschiedenen Stellen des VAG definiert als ein zum Zeitpunkt der Anpassung erreichtes Alter von 65 Jahren oder mehr. Mit diesem „Recht“ des Treuhänders muss jedoch sehr umsichtig umgegangen werden, da bei zu starker Limitierung eines Tarifs evtl. nicht mehr genug Mittel für andere Tarife zur Verfügung stehen und so die Belange anderer Versicherter beeinträchtigt werden – auch dies ist nach § 12b Abs. 1a VAG zu vermeiden. Die Zumutbarkeit einer Prämienerhöhung ist nun allerdings subjektiv interpretierbar und missdeutbar. So kann in einem Tarif eine Steigerung von 50% noch zumutbar sein – falls erforderlich – , da die absolute Erhöhung gering ist, in einem anderen Tarif sind evtl. bereits 20% kaum zu akzeptieren. Eine individuelle Betrachtung, d.h. eine Betrachtung bezogen auf den einzelnen Versicherten, ist ausgeschlossen. Wenn überhaupt, kann Zumutbarkeit nur kollektiv für eine Tarifgemeinschaft oder eine Vertragsgemeinschaft definiert werden. Bei der Bewertung der Zumutbarkeit von Beitragssteigerungen können verschiedene Komponenten, wie etwa die seit der letzten Anpassung verstrichene Zeit, die Art des Tarifs (Voll-, Ergänzungsversicherung), maximale absolute und prozentuale Steigerungen, andere Steigerungsraten (z.B. Steigerung in der GKV) zu berücksichtigen sein. Limitierungsmaßnahmen und ihre Begründung hinsichtlich der gesetzlichen und vertraglichen Rahmenbedingungen hat das Versicherungsunternehmen dem Prämientreuhänder zur Prüfung vorzulegen. Die Rolle des Treuhänders bei dieser Prüfung besteht darin, dass die gesetzlichen und vertraglichen Rechte der Versicherten bei der Limitierungsmaßnahme gewahrt werden. Dabei hat er insbesondere zu überprüfen, ob das Versicherungsunternehmen bei seiner Entscheidung über die Verwendung der zur Verfügung stehenden Mittel eine angemessene Verteilung auf die Tarifgemeinschaften vorgesehen und der Zumutbarkeit der Prämiensteigerungen für ältere Versicherungsnehmer Rechnung getragen hat.
zur Übersicht Δ
|
|
4.2 |
Die Aufgaben des Bedingungstreuhänders Gemäß § 203 Abs. 3 Satz 1 VVG kann der Versicherer bei einer nicht nur vorübergehenden Veränderung der Verhältnisse des Gesundheitswesens die Versicherungsbedingungen und die Tarifbestimmungen mit Zustimmung des unabhängigen (Bedingungs-) Treuhänders den veränderten Verhältnissen anpassen. Als Veränderung der Verhältnisse des Gesundheitswesens kommen vor allem Änderungen gesetzlicher Rahmenbedingungen (etwa im Bereich der Sozialversicherung oder auf die Medizinalberufe bezogener Vorschriften) in Betracht, hierneben aber auch Änderungen infolge des medizinischen Fortschritts. Dabei muss die Anpassung zur hinreichenden Wahrung der Belange der Versicherten erforderlich und angemessen sein. Die Erforderlichkeit in diesem Sinne ist dann gegeben, wenn ohne die Anpassung die dauernde Erfüllbarkeit der Verträge gefährdet oder das Vertragsverhältnis unter Aufrechterhaltung des Leistungsversprechens nicht sinnvoll fortführbar wäre. Die Anpassung darf dabei nicht weiter gehen, als dies durch die veränderten Rahmenbedingungen erfordert wird, und sie muss angemessen sein, d.h. der Billigkeit entsprechen. Alle diese Voraussetzungen hat der unabhängige (Bedingungs-) Treuhänder zu prüfen und nur im Falle ihres Vorliegens die Zustimmung zur Anpassung der laufenden Verträge zu erteilen. Nach erteilter Zustimmung wird der Versicherer die Versicherten von der beabsichtigten Anpassung schriftlich unterrichten.
zur Übersicht Δ
|
5. |
Wirksamwerden von Prämien- und Bedingungsänderungen Gemäß § 203 Abs. 4 VVG kommt eine Anpassung ferner in Betracht, wenn eine Bestimmung in den Versicherungsbedingungen unwirksam ist. Ausgangspunkt für diese Voraussetzung sind typischerweise höchstrichterliche Entscheidungen (sowohl im Individualprozess als auch aufgrund einer Verbandsklage), in denen eine Klausel im Rahmen einer Inhaltskontrolle nach Maßgabe der §§ 307 ff. BGB für unwirksam erklärt wird. Auch hier muss die Anpassung erforderlich sein, was dann der Fall ist, wenn die Fortführung des Vertrages ohne eine Schließung der entstandenen Lücke entweder für den Versicherungsnehmer oder den Versicherer eine unzumutbare Härte darstellen würde. Die Anpassung muss sich im Rahmen des durch die Unwirksamkeit Veranlassten halten und angemessen sein. Derartige Bedingungsanpassungen sind jedoch seit dem 01.01.2008 dem Zuständigkeitsbereich des Treuhänders entzogen. Gemäß § 203 Abs. 5 VVG wird die Änderung des Versicherungsvertrages zu Beginn des zweiten Monats wirksam, der auf die Benachrichtigung folgt. Hervorzuheben ist schließlich noch, dass § 203 VVG gemäß § 208 VVG insgesamt zu den sog. „relativ zwingenden“ Vorschriften gehört, von denen der Versicherer (in Klauseln seiner Allgemeinen Versicherungsbedingungen) zu Lasten des Versicherungsnehmers nicht wirksam abweichen kann. Dies bezieht sich auf die Voraussetzungen für Zustimmungen sowohl des Prämien- wie auch des Bedingungstreuhänders.
zur Übersicht Δ
|